BWK-Fachinformation BWK - F 1/2006 "Methodenstandard für die Funktionskontrolle von Fischaufstiegsanlagen"

Die Wiederherstellung der ökologischen Durchgängigkeit ist eine zentrale Voraussetzung, um den Zustand der Fließgewässer in der Bundesrepublik Deutschland entsprechend den Anforderungen der EG-Wasserrahmenrichtlinie zu verbessern. Neben der Wasserrahmenrichtlinie betonen auch die europäische Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie sowie zahlreiche nationale Rechtsvorgaben die Bedeutung der ökologischen Durchgängigkeit und fordern die Gewährleistung des Fischwechsels. Ein wesentlicher Bestandteil zur Erfüllung dieser Anforderungen ist die Errichtung von Fischaufstiegsanlagen. Diese bilden oftmals die einzige Möglichkeit, um die flussaufwärtsgerichtete Durchgängigkeit des Gewässers wiederherzustellen, da ein Rückbau von Querbauwerken aufgrund von bestehenden Nutzungen oder sonstigen Restriktionen häufig nicht möglich ist.

Die Funktionsfähigkeit von Fischaufstiegsanlagen wird durch eine Vielzahl hydrologischer, hydraulischer und gewässermorphologischer Faktoren bestimmt, die an jedem Anlagenstandort erhebliche Unterschiede aufweisen und in ihren komplexen Auswirkungen auf den tatsächlichen Fischaufstieg nicht im erforderlichen Umfang prognostizierbar sind. Somit ist die gewissenhafte Planung und Bauausführung nach den Vorgaben des technischen Regelwerks zwar die Voraussetzung, jedoch keinesfalls ein Beleg für die Funktionsfähigkeit einer Fischaufstiegsanlage.

Auftretende Funktionsdefizite beeinträchtigen nicht nur die ökologische Wirksamkeit der betreffenden Anlage, sie stellen darüber hinaus auch ein zielkonformen Einsatz der aufgewendeten Finanzmittel in Frage. Zugleich können Funktionsdefizite auch den Erfolg von Investitionen an anderen Querbauwerken des Gewässersystems erheblich verringern, da bereits eine Anlage mit unzureichender Funktionsfähigkeit genügt, um die Wiederansiedlung von anadromen Arten im gesamten Gewässersystem zu verhindern.

Infolge dessen ist die Funktionskontrolle eine unverzichtbare Voraussetzung, um etwaige Funktionsmängel zu identifizieren und Maßnahmen zur Optimierung der Anlagenfunktion abzuleiten. Da einheitliche Vorgaben für die Funktionskontrolle von Fischaufstiegsanalgen bislang jedoch fehlen, bedarf die Kontroll- und Bewertungsmethodik zwingend einer Standardisierung. Nur hierdurch kann sichergestellt werden, dass die Aussagefähigkeit von Funktionskontrollen und die Vergleichbarkeit ihrer Befunde künftig für alle Anlagestandorte gegeben ist.

Dieser Notwendigkeit kann nunmehr durch den vorliegenden Methodenstandard Rechnung getragen werden, der die Datenaufnahme, Datenauswertung und Funktionsbewertung auf einer objektiven und für Vergleichszwecke geeigneten Basis ermöglicht. Der Methodenstandard ist zur Funktionskontrolle von neuen und bestehenden Anlagen gleichermaßen anwendbar.

Aufgrund ihrer Bedeutung bei der Qualitätssicherung gewährleistet die Funktionskontrolle die zweckgerechte Verwendung der für die Fischaufstiegsanlage aufgewendeten Finanzmittel. Sie ist daher obligater Bestandteil der Abnahme von Neuanlagen. Die Funktionskontrolle stellt darüber hinaus ein wesentliches Instrumentarium für die Umsetzung der EG-Wasserrahmenrichtlinie und für den Vollzug des Erneuerbare-Energien-Gesetzes dar. Einen weiteren Anwendungsbereich bildet die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung, bei der die Funktionskontrolle für den Nachweis der Wirksamkeit von Kompensationsmaßnahmen eingesetzt wird, die auf die Herstellung der ökologischen Durchgängigkeit abzielen.

Durch die vorliegende Veröffentlichung wird gleichzeitig dem Bedarf von Behörden und Planern nach einem einheitlichen Kontrollverfahren entsprochen, welches in Planfeststellungsbeschlüssen, Plan- und Anlagengenehmigungen, Erlaubnissen und Bewilligungen sowie in landschaftspflegerischen Begleitplanungen als Methodenstandard für den Funktionsnachweis bzw. die Erfolgskontrolle festgeschrieben wird.

Nach einer Einführung in das Themengebiet (Kapitel 1) werden im Kapitel 2 der vorliegenden Veröffentlichung die generellen Aspekte bei Funktionskontrollen, wie Notwendigkeit, Zielstellung und fachliche Anforderungen an Bearbeiter und Gutachten, dargestellt. Gegenstand des 3. Kapitels ist die technisch-hydraulische Charakterisierung des Standorts, die einen obligaten Bestandteil der Funktionskontrolle bildet. Im 4. Kapitel wird die biologische Funktionskontrolle behandelt , wobei der Auswahl des Untersuchungszeitraumes sowie der Methodik der Datenaufnahme, Datenauswertung und Funktionsbewertung besondere Beachtung gewidmet wird. Das 5. Kapitel befasst sich mit der Identifizierung von Ursachen für aufgefundene Funktionsdefizite und der Abteilung von Maßnahmen zur Verbesserung der Funktionsfähigkeit. In den Anlagen zur vorliegenden Veröffentlichung werden die anwendungsorientierten Aspekte der technisch-hydraulischen Standortcharakterisierung und der biologischen Funktionskontrolle in Kurzform zusammengestellt. Bestandteil der Anlagen bilden darüber hinaus Protokolle für die Aufnahme von Freilanddaten, die dem Anwender als Kopiervorlagen zur Verfügung gestellt werden.

Im April 2006

Dr.-Ing. Konrad Thürmer
Technisch-wissenschaftlicher Koordinator im Bund der Ingenieure für Wasserwirtschaft, Abfallwirtschaft und Kulturbau (BWK) e.V.

Dr. rer. agr. Guntram Ebel
öbv Sachverständiger für Umweltschutz (Fachgebiet: Gewässerschutz) und Fischwirtschaft (Fachgebiet: Fischkrankheiten und Gewässer)